Verfasst von: haferklee | 10. September 2018

„Die größte Bedrohung für die Erhaltung des Bucheinbandes ist die Schwerkraft“ – oder: eine ungewöhnliche Buchrestaurierung

In Sissinghurst Castle haben die Schriftstellerin und Gärtnerin Vita Sackville-West und ihr Mann, der Diplomat und Schriftsteller Harold Nicolson, von den 30ern bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts gelebt und gearbeitet. Beide waren Teil der intellektuellen Londoner Bloomsbury Group. Ihr Garten, insbesondere der „White Garden“, ist berühmt. Das Anwesen gehört heute dem National Trust, dem damit auch die Pflege der bedeutenden Privatbibliothek der beiden obliegt, die viele Erstausgaben beinhaltet. Sie umfasst etwa 11.000 Titel, und zur dauerhaften Konservierung der Bücher hat der National Trust ein nicht unbedeutendes Sümmchen Geld ausgegeben, wie in den Besucherinformationen zu lesen ist:

 

In den vergangenen vier Jahren hat man alle Bücher der Bibliothek in einem aufwändigen Prozess in die Hand genommen und restauriert. Zur dauerhaften Erhaltung des originalen Einbands der Werke hat man eine ungewöhnliche Vorgehensweise gewählt. Denn der Einband der Werke sei langfristig gesehen am stärksten durch die Schwerkraft gefährdet, wie mir die Aufsichtsperson in Sissinghurst Castle sagte. Denn durch die Schwerkraft werde der Buchblock, der bei einem senkrecht im Regal stehenden Buch keinen Bodenkontakt hat, nach unten gezogen, wodurch er Gefahr laufe, vom Einbanddeckel abgerissen zu werden. Um diese langfristige Gefährdung zu vermeiden, hat man für jedes Buch der Bibliothek einen eigenen, „persönlichen“ Schuber gebastelt, der genau der Größe des Buchs entspricht. Darin werden die Bücher jetzt aufbewahrt. Im Regal sieht man die Schuber so gut wie nicht, denn die Buchrücken sind weiterhin zu sehen, sodass die Privatbibliothek beim Betrachter weiterhin ihren ursprünglichen Eindruck hinterlässt.

Der besondere Clou dabei: In jeden Schuber wurde eine Unterstützung für den Buchblock eingearbeitet, der die Höhendifferenz zur Einbanddecke ausgleicht und dafür sorgt, dass der Buchblock Bodenkontakt hat:

In den Besucherinformationen ist noch einmal zu lesen, wie man vorgegangen ist:

Mir ist ein vergleichbares Vorgehen (This „adds centuries onto the life of a binding“) bei der Restaurierung von Büchern nicht bekannt, aber ich bin mit diesem Thema auch nicht vertraut. Kennt jemand etwas Vergleichbares?

 

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