Mir ist nicht bekannt, ob Anne Frank, die heute vor 90 Jahren geboren wurde, jemals in einer öffentlichen Bibliothek war. Denn sie musste ja bereits als Vierjährige mit ihren Eltern nach Amsterdam flüchten. Das ist auch nicht wichtig und spielt keine Rolle. Aber in ihrem Tagebuch, das sie während der Zeit des Verstecks in der Prinsengracht führte, nennt sie an einer Stelle Bibliotheken auf eine sehr bemerkenswerte Weise. Im Eintrag vom Donnerstag, den 06. April 1944, spricht sie über ihre Interessen und notiert:
Mein drittes Hobby ist dann auch Geschichte. Vater hat schon viele Bücher für mich gekauft. Ich kann den Tag fast nicht erwarten, an dem ich in den öffentlichen Bibliotheken alles nachschlagen kann.*
Wie viel Hoffnung in diesem Satz steckt, obwohl Anne Frank da schon fast zwei Jahre im Versteck lebte! Und wie tief deprimierend er angesichts ihres weiteren Schicksals wirkt.
Die Sentenz, im bibliothekarischen Umfeld wohl kaum beachtet, ist meines Erachtens gut geeignet als Aufhänger für eine Diskussion über die Rolle und den Stellenwert von öffentlichen Bibliotheken in demokratischen Gesellschaften.
Rekonstruktion der Bücherregal-Tür zum Versteck der Familie Frank im Hinterhaus der Prinsengracht 263 in Amsterdam.
Bildautor: Bungle, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en
*Zitiert nach der von Otto Frank und Mirjam Pressler herausgegebenen, sogenannten Zweiten Fassung, auf deutsch erstmals 1988 bei S. Fischer erschienen, hier vorliegend in der 1998 als Fischer Taschenbuch erschienenen Ausgabe, Seite 240.
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