Verfasst von: haferklee | 26. September 2013

Wie lautet Goethes bekanntes Zitat über Bibliotheken richtig?

In Bibliotheken fühlt man sich wie in der Gegenwart eines großen Kapitals, das geräuschlos unberechenbare Zinsen spendet.

Als ich dieses (zumindest in unseren Kreisen) berühmte Goethe-Zitat selbst einmal verwenden wollte, benötigte ich natürlich eine Quellenangabe. Sollte kein Problem sein, schließlich wird es in den gängigen Zitatsuchmaschinen stets genau so zitiert, bei Zitate.net, bei Zitate.eu und bei vielen anderen. Aber auch nebenan, beim von mir sehr geschätzten bibliothekarisch.de, wird es genannt, und das gleich zwei Mal; einmal im November 2009 und noch einmal im August 2011. Autorin und Autor berufen sich ebenfalls auf zwei gängige Internet-Zitatsammlungen.

Ich hätte aber gern die Original-Quelle gehabt. Denn bei den obigen Fundstellen ist nicht genannt, wo das denn bei Goethe steht. Also in den Büchmann geschaut: Fehlanzeige, nicht enthalten, für soo wichtig scheint das Zitat außerhalb von Fachkreisen dann auch nicht gehalten zu werden, zumindest ist es nicht in der von mir konsultierten Ausgabe enthalten. Als nächsten Versuch die Wortfolge in die Suchmaschine eingegeben: etwa 30.000 Treffer. Viele in der Art wie oben genannt, andere aber am Anfang leicht abweichend. Sollte das eine Bedeutung haben?

Eine kleine schon, auch wenn es vielleicht nicht supersensationell ist. Goethes Zitat, so stellte sich allmählich heraus, geht nämlich zurück auf einen Besuch in der damaligen Göttinger Universitätsbibliothek. In Göttingen hielt er sich nach seiner am 5. Juni 1801 erfolgten Abreise aus Weimar bis zum 12. Juni auf. An einem dieser Tage zeigte man ihm die dortige Reitbahn, woraufhin Goethe einige Überlegungen zum Verhältnis von Mensch und Pferd anstellte. Im Anschluss notierte er:

Goethe3

Das war es auch schon, mehr folgt nicht zu seinem Bibliotheksbesuch. Es bedeutet aber nun einmal nichts anderes, als dass Goethe seine Äußerung auf nur eine einzige, nämlich die Göttinger Bibliothek bezog, die damals außerordentlich bedeutend war. Ihre Bestände waren zu jener Zeit rasant auf etwa 150.000 Bände angewachsen, „so dass sie, was moderne Werke anging, zur bedeutendsten Bibliothek Europas aufgestiegen war.“ (Vorstius, Joris u.a.: Grundzüge der Bibliotheksgeschichte, Harrassowitz 1977, S. 52). Und nicht in Bibliotheken, sondern nur in dieser einen Bibliothek fühlte er sich wie in der Gegenwart …

Goethe war damals unterwegs von Weimar nach Bad Pyrmont. Auf der Rückreise hielt er sich zwischen dem 17. Juli und dem 14. August noch einmal in Göttingen auf. In dieser Zeit nutzte er die dortige Bibliothek wohl intensiv, um „die Lücken des historischen Teils der Farbenlehre […] abschließlich auszufüllen … In seinen Tag- und Jahresheften rühmt er neben den Beständen vor allem die Kompetenz und Hilfsbereitschaft der Bibliotheksmitarbeiter, die dafür sorgten, dass Goethe seine Zeit in Göttingen „mit dem größten Nutzen“ verbringen konnte.“ (Quelle)

Zusammenfassung, leider: Goethe wird oft ungenau zitiert. (Übrigens nicht nur im Internet, sondern auch schon in älteren Print-Zitatsammlungen, zum Beispiel in Peltzer, Karl: Das treffende Zitat. 2. Aufl., Ott Verlag 1959; nicht einmal das „Lexikon der Goethe-Zitate“, hrsg. von Richard Dobel, Artemis 1968, schafft es ganz genau.) Er hat damals keineswegs alle Bibliotheken gerühmt, sondern nur über eine besondere der damals bedeutendsten Bibliotheken geurteilt.

Aber seien wir großzügig und vergessen wir das doch jetzt einfach schnell wieder, denn wenn wir Bibliothekswesen eines gewiss nicht sind, dann ja wohl PedantInnen 😉

Und wo steht es nun? In Goethes „Tag- und Jahresheften“ 1801, Zeitraum siehe oben, nachlesbar in den verschiedenen Ausgaben von Goethes Werken, zum Beispiel hier.

Datei:SBZ 1949 237 Johann Wolfgang von Goethe.jpg


Antworten

  1. […] dafür tun, dass dieses Grundlagenprojekt, “das geräuschlos unberechenbare Zinsen spendet” (Goethe), in der bewährten Qualität weitergeführt werden […]


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